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günther selichar who's afraid of blue, red and green?

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vorlesung
(25.9. 2000 im literarischen quartier, alte schmiede, wien)

"Can Cold Screens Ever BeSources?"

paul valery beschrieb im essay "die eroberung der allgegenwärtigkeit" in den 20er jahren die kunstwerke der zukunft: wir würden einmal mit "hör- und schaubildern versorgt werden"; wie heute mit gas und strom wären wir "angeschlossen". (1)

valery hatte insofern die richtige vision, daß wir alle vernetzt sein werden, aber daß es sich hierbei im besonderen um kunstwerke handeln werde, war wohl eine zu optimistische einschätzung. die informationskanäle, an denen wir hängen und die uns mit täglichen, stündlichen updates bis hin zu real time-infos versorgen, enthalten primär inhalte, die massenkompatibel zu sein haben - insofern findet kunst nur in nischen statt oder steht unter entertainmentdruck.

fest steht jedenfalls, daß wir "dranhängen", daß wir uns in eine abhängigkeit zu unseren info-dealern hinreißen haben lassen, die unsere wahrnehmung bereits zu einem hohen grad an diese interpretationssysteme überantwortet hat.

virilio spricht von einer "automatisierung der wahrnehmung" (2), von der verlagerung der rezeption in die maschinen und als konsequenz von der verlagerung der interpretation und kontrolle in die apparate. irgendwann werden wir selbst ganz von den prozessen der selektion und bewertung ausgeschlossen sein.

sein legitimiert sich nur mehr als dasein im mediensystem, im virtuellen raum, in der medienzeit, die auf grund extremer beschleunigung und pseudoverdichtung zum verschwinden führt. aus den medien - aus dem sinn, könnte man sagen.

regelrechte bildlawinen bedecken mittlerweile alle nischen unserer aufmerksamkeit, der kampf um den öffentlichen raum wird mit allen mitteln geführt. nicht nur über unsere schönen screens, die uns per tv oder internet zu hause versorgen, sondern vor allem auch über unsere bewegungen im physischen öffentlichen raum, der von infoscreeens bis zu quadratkilomentern von plakatflächen reicht, werden wir versorgt - besser: wird es uns besorgt. in wien besteht die höchste dichte an 16-bogen-plakaten in relation zur größe der stadt. eine diskussion über die besetzung des öffentlichen raumes scheint weder erwünscht noch möglich zu sein, der tribut an den konsumismus ist enorm - i shop, therefore i am. die ursprüngliche informationsabsicht wurde zur werbediktatur, zur mutter aller schlachten um den konsumenten. für hausfassaden gibt es farbpläne und harte auflagen, an die sich unsere allseits geliebte werbung nicht zu halten braucht. es handelt sich um die konsequenz einer jahrelang eingeübten vermischung zwischen redaktion und kommerz, an der auch der orf, in ermangelung anderer vorreiter, mit akribie mitgebaut hat. daß nachrichtensprecher oder sonstige prominente der fernsehmaschine vor oder nach den sogenannten informationssendungen in werbespots auftreten, scheint niemanden zu stören, geschweige denn an interessenskonflikte zu gemahnen. in österreich ist die entwicklung von massenmedien ein interesssanter studienfall und die damit verknüpfte naivität und kalte berechnung der verantwortlichen medienzaren und der sie umschwärmenden politker ein trauerspiel ersten ranges.

"vielmehr liegt die fernsehmacht bei den entscheidungen über die sichtbarkeit, die unsere kultur prägt und verändert. denn jede kultur macht unterschiede in dem, was sie zu sehen gibt und was nicht." (manfred schneider) (3)

ein mediengesetz zu schmieden, welches eine informationsmacht wie jene der kronenzeitung unterbunden hätte, ist wohl eine der größten versäumnisse der 2. republik - bis heute lassen sich die politiker wie die hasen von herrn dichand und seinen populistischen vasallen vor sich hertreiben. anstatt solche verleumdungsmaschinerien in ihre schranken zu verweisen, versucht man sie zu benützen und merkt gar nicht, daß hier die politik einen hohen preis zahlt und in eine position geraten ist, welche demokratiepolitisch unfaßbar ist. das sich daran so schnell nichts ändert, garantieren die verbindungsleute zu den massenmedien, die spin doctors der parteien, die hart an der intensivierung dieser verhältnisse arbeiten.

die möglichkeit des hinauswählens von kandidaten in fälschlich als teil des reality-tv´s bezeichneten shows wie big brother, taxi orange oder expedition robinson (es handelt sich natürlich um vorher festgelegte dramaturgische möglichkeiten), stellt eine niedrige form der machtausübung dar. speziell auch dann, wenn die grundlage für das verlassen eines containers möglicherweise an der nichtkompatibilität mit massenmedialer vermittlungskunst zu tun hat. hier besteht der zusammenhang zur politik, die sich heute ähnlichen spielbedingungen ausgesetzt sieht: ohne hochkompatible flotte und sloganhafte sprüche hat ein politiker kaum mehr mit aufmerksamkeit zu rechnen. insofern hat sich die politik von ihrer eigentlichen aufgabe verabschiedet, grundlage und vorgabe zu sein für einen sozialen diskurs, sondern wurde zum erfüllungsgehilfen einer sich selbst stetig fütternden, reduntanten öffentlichkeit. beide unterliegen dem plebiszit, dem markt, dem wohlwollen. medienpopulismus wird nicht so beachtet wie der parteipolitische populismus, aber die zusammenhänge sind offensichtlich: denn schließlich bearbeitet man denselben markt.

murdoch, kirch, berlusconi, dichand, das sind die namen unserer heutigen politiker. in italien hat dieses hybrid bereits reale form angnommen. berlusconi war und ist mittels seines großkonzerns "fininvest" der besitzer von mehreren extrem kommerzialisierten fernsehstationen amerikanischen vorbilds, sowie von filmproduktionsgesellschaften und verleihketten, von zeitungen, magazinen und verlagshäusern, von werbeagenturen, sowie von supermarktketten und sportclubs, die in italiens öffentlichem und privatem leben seit jahren perfekt verankert sind. auch auf grund von bestimmten programmstrukturen war es ihm möglich, die staatlichen fernsehprogramme rai in der zusehergunst zu übertreffen und diese mediale macht perfekt in eine kurze, aber lawinenartige politische kampagne umzulegen, die ihn vor nicht langer zeit schon einmal zum ministerpräsidenten machte. der "konstruktionsmacht" und der "identitätsbildenden funktion" der massenmedien wurde hier ein beeindruckendes beispiel gesetzt. und dieses beispiel macht schule: stenzel in der övp, zierler in der fpö und rudas in der spö.......

"wünsch dir was!" war der wegweisende name einer uns allen bekannten show in den siebzigern, der schon anklingen ließ, wie sich der größte teil der verschiedenen massenmedien entwickeln wird.

liegt doch die natur eines wirklichen massenmediums nicht nur in der totalen ansteuerbarkeit der millionen konsumenten, sondern vor allem in der indirekten programmhoheit der zuschauer - der diktatur des oft vulgären geschmacks und entertainments, des sensationell aufbereiteten alltäglichen, der inkarnation der kollektiven langeweile im falle der wuchernden talk shows.

thomas eggerer und jochen klein schreiben in einer untersuchung zum phänomen der "talk show":

"in der talk show jedoch wird das öffentliche räsonieren warenförmig. der fersehzuschauer sieht sich nicht nur mit einer problematik konfrontiert, über die er sich selbst ein urteil bilden kann, sondern bereits mit einem vielstimmig orchestrierten diskurs. mittels ihrer durch ihren life-charakter simulierten authentizität versucht die talk-show den zuschauer direkt in das geschehen einzubinden und ihn vergessen zu lassen, daß er konsument einer medialen ware ist. der zuschauer wähnt sich und seine probleme im brennpunkt des öffentlichen interesses." (4)

p. bordieu spricht davon, daß "...das fernsehen ein fantastisches instrument zur aufrechterhaltung der symbolischen ordnung ist." ich zitiere weiter:" das liberale credo predigt ständig, daß das monopol uniformität und die konkurrenz vielfalt erzeugt.....ich stelle nur fest, daß sie sich auf journalisten und journale, die denselben zwängen, denselben umfragen, denselben anzeigenkunden ausgeliefert sind, homogenisierend auswirkt. .....niemand liest soviele zeitungen wie journalisten....diese wechselseitige bespiegelung bringt eine schreckliche abkapselung, eine geistige einzäunung hervor.........und eines der hauptprobleme des fernsehens ist die frage der beziehungen zwischen denken und geschwindigkeit....der austausch von gemeinplätzen ist eine kommunikation ohne anderen inhalt als eben den der kommunikation." (5)

insofern ist der anschlag unserer von medien-weisen reingewaschenen regierung auf den bereich der alternativen medien die eindeutigste aussage zu ihrem demokratieverständnis. wenn eine regierung eines landes mit im wesentlichen wenigen großen informationspools (wie orf, kronenzeitung oder news und die ihnen zugehörenden medien) die ohnehin wenigen möglichkeiten einer anderen öffentlichkeit brutal abholzt (siehe freie radios, die posttarife für printmedien, die auseinanderstzung um public netbase), kann an grundsätzen einer mediendemokratie kein wirkliches interesse bestehen.

p. m. spangenberg äußert: "dem zuschauer, ganz gleich, was seine kommunikationsinteressen sein mögen, kommt also eine doppelrolle zu: er ist die ware, die der sender an die werbewirtschaft verkauft und adressat ihrer botschaft. das programm ist hiefür nur ein mittel zum zweck, ein medium." (6)

ein künstler, der auf das faktum verwies, daß kein unterschied mehr besteht zwischen medium, botschaft oder inhalt, war andy warhol, indem er meinte: "es gibt kein böses; gut ist alles, was in die presse kommt." (7)

es findet sich etwas für jedermann/frau in diesem supermarkt der meinungen. interaktive formen massenmedialer kultur, wie das quiz, das preisausschreiben (miniaturformen des wettbewerbs und des glücksspiels) sind übungen zur erlernung des mediatisierten blicks. in seltsamen pseudointeraktiven strategien der publikumsbeteiligung wird krampfhaft versucht, die kommunkative einbahnstraße des fernsehens zu kaschieren, um den anschluß an zeitgenössischere möglichkeiten (internet) nicht zu verlieren.

das bedeutet, das wir uns in einer "veröffentlichungs- und zeigegesellschaft" befinden, in einem geschlossenen kreislauf, wo das medium als modell fungiert, das sein equivalent in der gesellschaft formt und dieses equivalent wiederum das modell im medium beeinflußt. es herrscht eine rückkoppelnde und metamorphotische situation, die sich von inszenierter realität zum bild, vom vorbild zum abbild und somit zu einer neuen realität verschiebt.

diese situation konnte wohl auch u. a. dadurch entstehen, da früher verbindliche philosophische und religiöse systeme ein vakuum hinterließen, welches die informations- und interpretations-maschinerien auffüllten. claire parnet spricht in punkto "nachrichten" von "befehlen", sich "nach etwas zu richten", sich "ein gedächtnis zu machen", bedingt u.a. laut vrääth öhner durch "die komplizenschaft mit dem publikum, die direkte anrede seitens der moderatoren." (8)

in einer gesellschaft, wo der öffentlichkeitswert das maß aller dinge ist, müssen autistische verhaltensweisen um sich greifen. der marktplatz der eitelkeiten und lauthälsigen auftrittsformen wird uns als vorbedingung eines paradisiesischen ökonomischen systems eingepredigt, die einem oberflächlich funktionerenden werte- und wirschaftssystem der usa angepaßt waren und sind.

"ego-express", ein song aus den musikcharts bringt es auf den punkt: selbst-marketing oder untergang, be there or nowhere...! das hat den kollektiven "go on air-virus" zur folge: "es herrscht ein strahlen, das blendet.", (9) sagt d. kamper dazu. und weiter: "es ist unmöglich, den kreis des sichtbaren zu erweitern, ohne daß zugleich das unsichtbare zunimmt." (10)


(1) j. simmen, das prinzip vertigo, sehsucht, kunst- u. ausstellungshalle d. brd, schriftenreihe forum 4, bonn 1995

(2) p. virilio

(3) m. schneider, die erotik des fernsehsports, k.h. bohrer (hrg.), medien. neu? merkur 9/10, münchen 1993

(4) t. eggerer u. j. klein, communication as ritual, texte zur kunst 21, köln 1996

(5) piere bordieu, über das fernsehen, edition suhrkamp, frankfurt 1998

(6) s.j. schmidt, (ferseh)werbung, oder die kommerzialisierung der kommunikation, h.u.reck (hrg.), inszenierte imagination, springer wien/new york 1996

(7) c. barkhausen, das medium der medien, ein versuch über a. warhol, k.h. bohrer (hrg.), medien. neu? merkur 9/10, münchen 1993

(8) v. öhner, dreimal fernsehen, meteor 2, wien 1996

(9) d. kamper, das auge, der schwachsinn der zukunft, sehsucht, kunst- u. ausstellungshalle d. brd, schriftenreihe forum 4, bonn 1995

(10) d. kamper, im gespräch m. th. wulffen, metropolis, kunstforum 113, 1991