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internetklasse marlene streeruwitz
BILD.SCHIRM.TEXT / klassische fragen der bildbeschreibung im fluten des mediums

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dorf '78


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Alois Eder
22.09.1999
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text: Typischer Farbdruck aus den pädagogischen Serien der Jahrhundertwende. Sind noch lange in den Klassenstuben herumgehangen. Die Schnitter von Ferdinand Andri zum Beispiel: wie sie mit den Sensen über ein Getreidefeld herfallen, und Garben binden usw. Hat der Künstler noch höchstselbst in der Gegend von Jeutendorf ab-gemalt, wo er Sommerfrische gemacht hat, also ein ausgewiesener Experte. Damals sind gerade die ersten Bindemäher aufgekommen, aber die waren dann viel weniger fotogen, und identitätsstiftend schon gar nicht. Da hätte man die Landjugend ja damit ins Bockshorn gejagt, und der Stadtjugend die Lust auf die Sommerfrische genommen. Die Maschinenringe sind ja auch erst später aufgekommen.

Mit der Bauernstube in ihrer Idealtypischkeit ist das genauso. Schon der Eß-tisch: groß genug, daß neben den Kindern auch noch das Gesinde die Knie unter die Tischplatte bringt, wenn es not tut. Aber klein genug, daß noch alle mit dem Schöpfer in dieselbe Schüssel langen können. Die Prozedur ist lang bei Rosegger beschrieben, noch aus Zeiten, in denen er längst niemanden mehr in seine Schüs-sel langen lassen hat. Der Bauer aß Eintopf, war aber gastfrei. Hier dagegen hat die Zivilisation schon mit Tellern zugeschlagen.

Natürlich muß auch eine Wiege ins Bild ragen. Der wichtigste Teil der Urproduk-tion ist ja die Selbstreproduktion. Was ein richtiger Bauernhof ist, erzeugt sich seine Arbeitskräfte selber. Und daß der Staat die Kinder grad in dem Alter, wo sie fester Hand anlegen konnte, in die Schulen weggeholt hat, war lange ein Ärgernis. Der Mohnsuzel dagegen nicht, mit denen man sie in der Wiege ruhig ge-stellt hat - denn auch die Mutter war ja unabkömmlich als Arbeitskraft.

Daß der Bauer auch an Sonn- und Feiertagen in den Stall gehen muß, hat ihm als Arbeitgeber schließlich das Genick gebrochen. Das Gesinde ist ausgeblieben, seit es Wert auf einen geregelten Arbeitstag legt. Und die Bauernstube, so aufgeräumt sie einen aus dem Bild anlacht, ist eitel Arbeit: sogar der Holzfußboden muß kräfteraubend ausgerieben werden, damit er an Besuchssonntagen so reinlich aus-sieht. Und das geht auf die Bandscheiben.

Möglicherweise wissen das die Verfasser der Lesebuchspruchweisheit noch, aber sie verdrängen es. Diese Art Arbeitswelt, die mit Lauge und Reibbürste, kommt in den Lesebüchern nicht vor, sie ist zu wenig heroisch. Da sind nur Pflüger und Bergmann berücksichtigt, nicht die Köchin des Sautrankls. Der Maler schummelt sich um diese Alltagsansicht herum, und stilisiert die Bäurin und ihre Dienstbo-ten mehr nach Schiller: er läßt sie himmlische Blumen ins irdische Leben flech-ten, etwa in Gestalt der Blumentöpfe an den Fenstern, und der Hinterglasbilder an den Wänden.

Ja, in den Volkskundemuseen machen die auch wirklich was her, aber in den Bau-ernstuben? Die Kunstdrucke mit den kitschigen Jesuleins, augenverdrehenden Hei-ligen und röhrenden Hirschen, zu denen die Bäurinnen in ihrer Verzweiflung grei-fen, um ihren tristen Alltag wenigstens durch ein paar Glanzlichter zu verschö-nern, sie sind auch nicht stark genug, um den Bauern zuhause zu halten. Ihn zieht es ins Wirtshaus.

bildmotiv streeruwitz
Der ganze Herrgottswinkel - hier unterdrückt, also eher deutschnationale Folklore? - fällt ja mehr ins Gebiet der Katastrophenvorsorge. Hat jemand noch eine Bauernfamilie beten gesehen, auf einem Hof, wo das Tischgebet noch zum Ritual gehört? Jawohl, gesehen, denn akustisch ist dabei nicht mehr allzuviel Aufwand. Vaterunser und Gegrüßestseistumaria schnurren zu einem unver-ständlichen Gebrabbel zusammen, daß man sich dieses Programmpunkts in Windeseile entledigt hat. Aber immerhin: wenn man zu essen anfängt, ist er abgehakt.

Es ist erst die Not, die inbrünstig beten lehrt. Daß die regelmäßig in den Bau-ernstuben angeklopft hat, so lang sie noch in waren, ist dem Interieur ebenfalls nicht anzusehen. Was früher der Grundherr kassiert hat, kassiert später die Bank: und wenn heutzutage das Ensemble noch so stimmig beisammen ist, dann des-halb, weil das Geld fehlt, um sich modern einzurichten - oder es hat sich ohne-hin bereits ein Sommerfrischler eingenistet, der aus Nostalgie Landvolk spielt und sich wohlfühlt in Lederhosen oder Dirndl.

Am Rand Europas, wo man das noch ernster nimmt und die Freiluftmuseen Skansen heißen, hat man den Kulturmix treuer festgehalten, mitten im bäuerlichen Am-biente einer ebenerdigen galizischen Holzhütte im oder statt dem Herrgottswinkel der Fernseher, und so weiter. Bei uns lassen sich die Snobs vielleicht eichen-holzene Videomöbel zimmern, damit sie zu den gemalten Kästen passen, die man beim Antiquitätenhändler teuer erworben hat, um stilecht zu wohnen.
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