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internetklasse marlene streeruwitz
BILD.SCHIRM.TEXT / klassische fragen der bildbeschreibung im fluten des mediums

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Dorf '38


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Alois Eder
20.09.1999
21.09.99
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text: Daß sie in sowas wohnen können, wunderte sich der jüdische Schlossermeister Philipp Eltbogen aus Pyhra gelegentlich, wenn er von der Montage eines modernen Backofens auf einem Bauernhof nachhause radelte. Sein Lehrling, der mitradelte, wunderte sich weniger. Auch sein Dachkammerfenster beim Meister war nicht viel größer als die Lichtluken der alten Bauernhöfe. Und wo er herkam, die Werkswoh-nung mit den drei Zimmern, mit den Lichtleitungen über Verputz, war es auch nicht besser; gut, die Zimmer waren etwas höher und vor der Tür stank kein Mist-haufen.

Das hatte auch die Bauernstube Meister Eltbogens, die er sich neben der Werk-statt eingerichtet hatte, sonst ganz im Stil der Abbildungen in den Schullesebü-chern, den Bauernstuben der Bauern voraus. Dort empfing er auch seine Kunden, und sie konnten ihm nur das beste nachsagen. Gerade, daß die Stube keinen Herr-gottswinkel hatte, fiel auf. Aber der Meister war auch kein jü-discher Eiferer: gerade ein-zweimal im Jahr, daß er in die Synagoge nach St. Pölten fuhr. Und am Sabbat bediente eben der Lehrbub.

Daß die Werkstätte am Sonntag offenhielt, war den christlichen Konkurrenten wei-tum immer schon ein Dorn im Auge. Die Bauern, die ohnehin zur Kirchen fuhren, nutzen den Umstand für fällige Reparaturen und Besorgungen. Und da fanden sie den Schiffboden ebenso anheimelnd wie die bäuerlichen Sitzgelegenheiten, wenn sie bei der Meisterin einsprachen. Der Tisch war original, einem Bauern im Mi-chelbachtal abgehandelt, aber ordentlich aufpoliert. an der Wand hingen die Aus-zeichnungen des Meisters aus dem Ersten Weltkrieg. Er marschierte auch bei den Veteranen mit und war Feuerwehrhauptmann, aber kein Wirtshaussitzer.

Darum hörte er auch nicht, wie dort gegen ihn gelästert wurde. Nicht daß gegen sein Hauswesen etwas zu sagen war, freundliche Vorhänge zierten die Fenster, Blumentöpfe standen dahinter, genau wie bei den Christen. Nur von der kinderge-lähmten Tochter, die in der guten Stube ihr Lager hatte, obwohl sie schon 12 Jahre zählte, fühlten sich manche Besucher abgestoßen. So was Krankes, sagten sie, so was zeigt man doch nicht her. Aber Meister Ellbogen ließ sie sogar vom Lehrbuben täglich mit dem Schubkarren in die nahe Schule führen, ganz ohne Scham. Und der fand ihre dunklen Zöpfe gar nicht abstoßend, sondern ganz nett.

bildmotiv streeruwitz
Das Plaudern mit ihr und der Meisterin erweiterte sogar seinen Wortschatz: man solle kein Geseijres machen, sagte sie zum Beispiel, oder Machloikes für krumme Winkelzüge. Daß diese Worte nicht ganz zum Interieur paßte, fiel ihm damals noch nicht auf. Wes Brot ich eß, des Lied ich sing, sagte seine gebildete größere Schwester, wenn er Sonntags heimkam. Erst als der Meister seine Medaillen in die Auslage hängte, auf der geschrieben stand: Kauft nicht bei Juden! und als sich die Bauern nur noch bei Nacht und Nebel an die Hintertür trauten, weil vorne die SA stand, dämmerte dem Lehrling, daß sich da vielleicht etwas spießte. Aber da war er schon im dritten Lehrjahr und gewiß, bald freigesprochen zu werden ...

Wenn er später den letzen Kartengruß der Eltbogens aus dem Jahre 1941 in der Hand hielt und zurückdachte, wie sie sogar vom Sonntagsstaat her nicht zu unter-scheiden waren, wenn sie am Sonntagnachmittag, ganz staatstragend, der Meister in Trachtenjoppe und ledernen Kniehosen, die Meisterin im Dirndlkostüm zum Fuß-ballplatz spazierengingen, wo er mit den Nazibuben mit den weißen Wadlstutzen palästerte, konnte er immer noch nicht recht fassen, was geschehen war.

Aber eine Bauernstube wie der Meister richtete er sich nicht mehr ein, auch als er selber nach dem Krieg zu denselben Bauern fuhr, wo sie einst Ofen gesetzt hatten - denn jetzt waren die Selbsttränker im Kommen, und zu ihm, dem ehemali-gen Lehrling, hatte man auf den Höfen ringsum Vertrauen. Und beim ehedem so staatstragenden Trachtenverein sah man ihn auch nicht mehr, auch wenn noch eine Zeitlang die Lederhose von damals herumlag.

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kommentar:


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eine geschichte mit möglichkeiten. die bildbeschrebung ist hier sehr in den hintergrund geraten. der melancholisch
lakonische ton könnte noch knapper die sinneinheiten gegen-
einander ausspielen. ich dächte auch, daß der hinweis auf
die bauernstube reichte, die es dann nicht mehr gibt.

 

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