über montagetechnik


 

"... das sprachmaterial wird veraendert, worte werden nebeneinandergestellt, vertauscht, zerlegt, durch konsequenten austausch von buchstaben veraendert, neologismen werden geschaffen, silben weggelassen, worte graphisch zu bildern angeordnet, kombiniert, andere sprachelemente (aus dem englischen, dem dialekt, der umgangssprache) dringen in das gedicht ein und oeffnen neue moeglichkeiten. die montage, von der "wiener gruppe" als neue technik und basis fuer gemeinschaftsproduktionen entdeckt, wurde auch von jandl aufgegriffen, ... bei allen verfahrenswesen zeigt sich immer wieder die neigung zur pointe, zur pointierung ..."

(walter buchebner: die wiener gruppe. wien. koeln. 1987. s 74 f)

"Montage (frz. monter; zusammensetzen), literarische Technik, in der aufgefundene, heterogene Sprachmaterialien zu einem neuen Ganzen zusammengefuegt oder in dieses miteinbezogen werden. - Der aus der Technik uebernommene Begriff geriet zum ersten Mal im Film mit der Kunst in Beruehrung. David Wark Griffith ("The Birth of a Nation", 1915) und Sergej M. Eisenstein ("Panzerkreuzer Potemkin", 1925) "montierten" aus vielen Sequenzen einen filmischen Handlungszusammenhang. Vom Zuschauer werden die Schnittstellen der M. nicht als Brueche empfunden. Im Unterschied dazu geht es in der Collage (von coller, frz.; kleben) gerade darum, beim Zusammenfuegen disparater Teile die Brueche sichtbar zu lassen. Braque und Picaso hatten schon 1910/11 Fundstuecke aus der Realitaet in ihre Bilder geklebt. Im Dadaismus fuegte Kurt Schwitters Trambahnscheine in seine "Merz"-Bilder ein, und H. Arp klebte zufaellig auf die Leinwand gefallene Papierschnipsel fest. In den Fotomontagen John Heartfields Ende der 20er Jahre wurde eine politisch entlarvende Realitaet montiert. Den groessten Einfluss auf die literarische Erzaehltechnik uebte aber die filmische M. aus. J. Dos Passos fuegte in seiner USA-Triologie (ab 1919) Kurzszenen, Zeitungs- und Reklametexte zu Romanen ueber das chaotische Grossstadtleben zusammen. Ähnlich verfuhr A. Doeblin in "Berlin Alexanderplatz" (1929). Als Montagetechnik im Roman versteht man seit Doeblin auch die Übertragung filmischer Perspektiven (Totale, Grossaufnahme, Schwenk) auf die Literatur. Nach dem Krieg wurde im Zug des Streits um Realismus und Dokumentarliteratur auch das Prinzip M. neu diskutiert. Im Realismus ist die M. die adaequate literarische Technik, mit der die Zerrissenheit der modernen Wirklichkeit beschrieben werden kann. Sie ist zugleich ein Verfahren, das jedem Leser den Zugang zum literarischen Gestaltungsprozess eroeffnet. In der Dokumentarischen Literatur wird das Authentische am direkten Zitat aus der Wirklichkeit betont (E. Runge) oder gerade durch fiktive Dokumente in Frage gestellt (A. Kluge). Die sprachkritische Richtung der Literatur, besonders die Konkrete Poesie, geht so weit, jegliche Sprachverwendung als Zitatmontage zu begreifen (H. Heissenbuettel, "D´Alemberts Ende", R., 1970). Neue Bedeutungen lassen sich hier nur ueber die Anordnung der Zitate gewinnen. Die Vielzahl unterschiedlicher Auffassungen und Anwendungen erweisen Collage und M. als die universellen kuenstlerischen Verfahren des 20. Jh.s. "Mit der Montagetechnik beginnt die Kunst den Prozess gegen das Kunstwerk als Sinnzusammenhang" (Th. W. Adorneo).

(aus: harenberg lexikon der weltliteratur. dortmund. 1989. s 2031 f)