artmann ueber studenten

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(aus: h.c. artmann (hg.): lyrik als aufgabe. arbeiten mit meinen studenten. wien. 1995.)


christine huber: die klassen der schule fuer dichtung gehen ueber zehn tage, vierzehn tage ... du bist ja mit manchen studenten dann noch weiter in kontakt?

h.c.: sicher. es ergeben sich freundschaften. das ist sehr wichtig. aber auch die leute untereinander sollten sich viel mehr zusammentun. so etwas stelle ich mir vor: dass man erreicht, dass sich gruppen bilden, die sich staendig treffen und die staendig im gleichen umkreis sind. wenn einer in klagenfurt ist und der andere in muenchen, das ist dann sehr schwer. aber das ist eigentlich mein ziel: dass sich gruppen bilden. das ist sehr wichtig.

christine huber: gibt es grundsaetzliche tips, gibt es standards, die du in jeder klasse durchnehmen musst?

h.c.: ja, bei mir ist das die form. die form eines gedichtes. man muss zuerst ein richtiges, formvollendetes gedicht schreiben koennen, bevor man mit etwas anderem anfaengt. das ist sehr altmodisch, diese vorstellung, sehr konservativ. wir damals sind aus den schulen ausgetreten und haben bis zum hals genug gehabt von diesen ganzen reimereien, diesen zwaengen. aber wir wussten, wie die zwaenge sind. heutzutage weiss man das nicht mehr, weil es nicht mehr gelehrt wird an den schulen. es ist keine basis da. man schreibt gedichte, man hat den inneren willen, gedichte zu schreiben, etwas zu machen, hat aber nicht das werkzeug dazu. man hat es nicht gelernt. man kann ja nicht uhrmacher oder schuhmacher werden, wenn man nicht drei jahre gelernt hat. das muss man genauso ... dichten kann man nicht, wie der vogel singt. man muss irgendwie eine vorbedingung haben.

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christine huber: und wenn es keine schule fuer dichtung gibt, wie ist dann der weg, sich etwas anzueignen?

h.c.: naja, lesen lesen lesen. man muss gezielt lesen koennen. das binde ich natuerlich auch ein in meinen sogenannten unterricht, wie der immer auch geartet ist, dass ich sage, z.b. die expressionisten lesen, die mittelalterliche literatur lesen, die impressionisten lesen, die dadaisten lesen, obwohl das weniger. die ersten 50 jahre der deutschsprachigen literatur des 20. jahrhunderts und der uebersetzungsliteratur, die es da gibt, die muss man intus haben. christine huber: man muss eine liebe zum gedichtelesen haben. wenn man die nicht hat, dann wird nichts draus...


mit h.c. artmann sprach christine huber am 24. juni 1995 in salzburg das buch "lyrik als aufgabe" (edition schule fuer dichtung in wien. passagen verlag) ist ueber das buero der sfd zu bestellen.